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Die DFB-Reform im Kinderfußball - Interview mit Markus Hirte

Markus Hirte ist sportlicher Leiter der DFB-Talentförderung. In unserem Interview erklärt er die Entstehung und die Beweggründe der Reform im Kinderfußball aus Sicht des DFB.

Thomas: Herr Hirte, warum hat sich der DFB entschieden, eine Reform im Kinderfußball mit neuen Spielformen am Wochenende durchzuführen? Was sind die Hintergründe und wie soll die Reform umgesetzt werden?

Markus Hirte
: Im Grund sind es zwei sehr weitreichende Gründe. Der erste ist, das wir nachweisen können, dass wir im Vereinsfußball immer mehr Kinder immer früher verlieren.  Bereits nach der E-Jugend geht es rapide bergab. Diese Tendenz ist sehr bedenklich. Der zweite Grund ist, dass es immer weniger Kinder gibt, die individuelle, kreative Lösungen in das Spiel einbringen, insbesondere in 1 gegen 1-Situationen. Es wird sehr viel auf Anweisung gehandelt, nicht eigenständig.  Wir haben festgestellt, dass der aktuelle Spielbetrieb im 7 gegen 7 dem entgegensteht. Deshalb haben wir uns seit 2017 in einer AG Kinderfußball mit Verbandssportlehrer:innen und Vertreter:innen aus dem Amateursport zusammengesetzt und neue Wettspielformen erarbeitet, die die Werte des Kinderfußballs transportieren.  Anschließend wurden die neuen Wettspielformen von allen Landesverbänden in einer Pilotphase getestet. Jetzt geht es darum, viel Überzeugungsarbeit zu leisten und Organisationshilfe zu geben. 
Thomas: Welche Vorteile bieten die neuen Spielformen für den Amateurfußball und die Talententwicklung in Nachwuchsleistungszentren und Stützpunkten? Wie gehen Sie damit um, wenn Vereinsvertreter:innen beharren, das 7 gegen 7 sei die bessere Spielform?

Markus Hirte
: Wir wollen den Fußball in diesen Altersstufen kindgerechter gestalten, mehr Erfolgserlebnisse, mehr Spielfreude, mehr Anteilnahme schaffen. Jedes Kind hat mehr Aktionen, in denen es für sich erfährt, dass es auf das Spiel Einfluss nehmen kann, indem es Tore erzielt und Tore verhindert. Das macht den Kindern mehr Spaß. Wir sind überzeugt, dass genau diese Erfahrungen Kinder langfristig beim Fußball halten und in der Entwicklung besser fördern - auch diejenigen, die vielleicht etwas mehr Talent mitbringen. Kern der Sache ist, dass Kinder begeistert und mit Euphorie Fußball spielen und dadurch besser lernen. Den Kritikern halten wir entgegen, dass wir im Sinne der Kinder mit vielen Variationen spielen und nur den Rahmen vorgeben wollen. Die Flexibilität soll durchaus genutzt werden. Wir müssen die Sicht der Kinder einnehmen. Kinder spielen oft im 1 gegen 1 das letzte Bundesligaspiel nach. Sie transportieren den Fußball mit seinen Vorbildern in ihre Spielwelt.  Dazu brauchen sie nicht das 7 gegen 7 und keine große Mannschaftsstärke. Darüber hinaus wollen wir das übermäßige Coachen, die direkte Einflußnahme der Trainer:innen auf die Kinder reduzieren, damit die Kinder lernen, selbst Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Zielsetzung ist, dass Selbstbild der Trainer:innen zu ändern, hin zum kindgerechten Organisator.
Thomas: Glauben Sie, dass durch die neuen Spielformen Leistungsdruck von den jungen Talenten genommen wird?

Markus Hirte
: Kinder leben im Hier und Jetzt.  Sie genießen den Moment, ob im Negativen oder im Positiven. Niederlagen sind schnell vergessen, vor allem wenn gleich die nächste Spielrunde beginnt. Es geht immer um das Gewinnen und Verlieren. Wir fördern es sogar, indem an den Spieltagen viel öfter gewonnen und verloren wird. Aber wir verhindern, dass eine Woche darüber diskutiert wird, wo der entscheidende Fehler lag und warum die Mannschaft nur Fünfter und nicht Dritter in der Tabelle ist.
Das komplette Interview mit Markus Hirte seht ihr hier: 
Initial veröffentlicht: 15.02.2022 | Zuletzt aktualisiert: 15.02.2022

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