Kickplan Campus

Wissen rund um den Kinderfußball

Ein Dorf lebt den neuen Kinderfußball

In Thaining, einem kleinen Dorf in Oberbayern, war der Kinderfußball lange Zeit nur eine Randnotiz. Wenige Kinder spielten in den Nachbarvereinen. Funino kannte noch niemand. Dann begann man, Trainingsfestivals in kleinen Spielformen zu organisieren, und löste einen regelrechten Boom in der Dorfgemeinschaft aus. Rudi Scharlach, Trainer beim FC Thaining, berichtet über eine erstaunliche Entwicklung.

Fußball in der 1000-Seelen-Gemeinde Thaining nahe dem oberbayrischen Landsberg am Lech - das war Anfang 2023 eine schwierige Ausgangslage. Personalmangel in der Herrenmannschaft ließ über eine Spielgemeinschaft nachdenken.  Auf dem örtlichen Sportplatz hatte seit Jahren kein Kinderfußballtraining  mehr stattgefunden. Zwar gab es seit 2022 eine Ballschulgruppe für die Kleinsten, doch die meisten Kinder des Dorfs spielten in den Nachbarvereinen - und dort in der F-Jugend fast ausschließlich im 7 gegen 7. Zu Funinospieltagen im Fußball 3 konnten kaum Mannschaften motiviert werden.
Als Ballschultrainer des FC Thaining und gleichzeitig F-Jugend-Trainer beim Nachbarverein FC Issing hatte ich von den Reformbestrebungen gehört, aber mir kam es vor, als ob nur ich den neuen Kinderfußball ausprobieren wollte. Die meisten Trainer schienen am Ligaspielbetrieb im 7 gegen 7 festhalten zu wollen, der zugegebenermaßen organisatorisch reibungslos  funktionierte.   
Mit Unterstützung meines Freundes Martin Kölbl, Minifußballbeauftragter im Bezirk Oberbayern, starteten wir eine Initiative für mehr Spielangebote im Funino. Der Grundgedanke: Wenn die anderen Vereine am Fußball 7 im Spielbetrieb festhalten wollen, dann spielen wir eben zusätzliche Festivals im Fußball 3 unter in der Woche. Das Konzept hatte folgende Eckpunkte: exakt 1 Stunde Dauer des Festivals, maximale Spielzeit für alle Alters- und Leistungsklassen, ein 2-Wochen-Rhythmus von März bis Juli, ein Festival mit Trainingscharakter, um den Aufwand für Trikots und Warmspielen der teilnehmenden Mannschaften möglichst gering zu halten.  Festivals zu organisieren, ist aufwendig, war unsere Überlegung, aber wenn man es alle 2 Wochen macht, so hofften wir, erhält man Routine. Vieles geht schneller von der Hand und die Regelmäßigkeit motiviert die Vereine, sich häufig bei uns anzumelden. Es war ein verwegener Gedanke, Vereine ohne Druck und mit niedriger Einstiegshürde zum neuen Kinderfußball hinzuleiten, und auch ein trotziger Versuch, endlich mehr Teams von Funino zu überzeugen.  
Ich habe die Websites der Nachbarvereine abgesucht, alle Kontakte in der Region angeschrieben, viele Trainer angerufen und eingeladen. Die Resonanz war schon anfangs ermutigend. Zu unserem ersten Festival kamen 14 Funino-Teams, überraschenderweise einige mit Fahrzeiten bis zu 30 Minuten an einem Werktag. Anders als gedacht kamen eher weniger Nachbarvereine, dafür bildete sich eine Gruppe von Gleichgesinnten, die sich im Spielbetrieb aufgrund der Distanzen von bis zu 40 km nie begegnet wären. Es war eine große Bereitschaft vorhanden, die neuen Spielformen und ihre Varianten auszuprobieren. Das ausgeprägte Miteinander waren wir vom Fußball 7 nicht gewohnt. Zu jedem Festival kam mindestens ein neuer Verein. Manche hatten die Regeln der kleinen Spielformen noch nicht verstanden, aber dadurch dass es ein Trainingsfestival mit Leibchen war, schien es den Zugang zum Fußball 3 für neue Teilnehmer zu erleichtern. Bereits im ersten Halbjahr spielten wir in Thaining 9 G- und F-Jugend-Festivals mit jeweils 14-20 Teams. 
Mit wachsendem Interesse an unseren Trainingsfestivals stieg die Begeisterung innerhalb unseres Vereins. Verantwortliche und freiwillige Helfer begannen, sich bei der Umsetzung in der Praxis zu engagieren. Zuerst gab es Getränke auf Spendenbasis, dann einen kleinen Kioskverkauf. Ab dem sechsten Festival fand sich ein Grillmeister, der abends Bratwurst- und Steaksemmeln servierte. Oft blieben die Gäste länger und genossen Speisen und fachlichen Austausch, während eine große Musikbox für Stimmung sorgte. Es wurden Fußballfestivals mit echter Volksfeststimmung.   
Die neuen Spielformen im Kinderfußball haben unser Sportangebot im Dorf neu belebt. Mittlerweile haben wir eine Mädchenfußballgruppe, eine Ballschule, eine G- und eine F-Jugend, die alle regelmäßig vor Ort trainieren und Festivals spielen. Jährlich finden mindestens 10 große Sommer- und Trainingsfestivals für G-, F- und E-Jugend statt, bei denen wir auf besonders variantenreiche und eher kleinere Spielformen setzen. Das Miteinander, das Grillen und der Spaß am Fußball stehen bei uns im Vordergrund, denn wir glauben, dass die Kinder den Fußball am besten im Spiel lernen.  In diesem Jahr steht das 30. Trainingsfestival an. Durch die neuen Spielformen haben wir viele Menschen für den Fußballsport im Dorf gewinnen können. Thaining ist ein Leuchtturm für den neuen Kinderfußball in unserer Region geworden.  
Initial veröffentlicht: 12.03.2025 | Zuletzt aktualisiert: 12.03.2025

Noch nicht genug?

Passende Podcast-Episoden zu diesem Thema

Yul Wiegand
Jan Reiners
Tim Brandes
Donnerstag, 24. Juni 2021
#08 Yul Wiegand (FC St. Pauli, Teil 2/2): Die Turnierformen Champions League, Hammes, Ananas und der Gruppenmodus

Part Zwei der zweiteiligen Serie über Spiel- und Turnierformen mit unserem Gast Yul Wiegand vom FC St. Pauli. In dieser Sendung geht es speziell um die Turnierformen Champions League, Hammes, Ananas und den Gruppenmodus. Vorteile, Nachteile, Tipps und Tricks. Zum krönenden Abschluss gibt es noch Yuls eigenen Modus als Input für euch.

Zur Episode
Yul Wiegand
Jan Reiners
Tim Brandes
Donnerstag, 17. Juni 2021
#07 Yul Wiegand (FC St. Pauli, Teil 1/2): So funktionieren die Spielformen vom 3 gegen 3 bis zum 5 gegen 5

In der heutigen Ausgabe des Kinderfußballpodcasts sprechen wir mit Yul Wiegand vom FC St. Pauli über die Einführung der neuen Spielformen und die konkrete Anwendung. Yul lässt dabei tief in die Organisation blicken und erläutert uns die Vorteile des Systems und was es alles zu beachten gilt.

Zur Episode
Thomas Staack
Jan Reiners
Tim Brandes
Donnerstag, 27. Mai 2021
#04 Thomas Staack (Koordinator 3-gegen-3-Liga Köln): Entstehung und Organisation der 3-gegen-3-Liga Köln

Einen Ligabetrieb in den neuen Spielformen aufzubauen, hört sich im ersten Moment doch sehr kompliziert an. Was macht man mit den Ergebnissen? Gibt es überhaupt welche? Wie stellt man sicher, dass alle zufrieden sind und warum macht man sich überhaupt die ganze Mühe? Darüber sprechen wir heute mit Thomas Staack, dem Koordinator der 3-gegen-3-Liga in Köln und Referent für den Mittelrheinischen Fußballverband.

Zur Episode

Die Kinderfußball-Community

Traineraustausch rund um den modernen Kinderfußball

Unsere Trainer-Community ist ein frei zugänglicher Discord-Chat für alle interessierten Menschen, die Themen rund um den modernen Kinderfußball teilen und in entspannter und freundschaftlicher Atmospähre diskutieren.

Komm dazu

...und tausch dich aus!

Jetzt beitreten