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Wissen rund um den Kinderfußball

Belgiens Weg in Kinderfußball und Spielerentwicklung

Das kleine Land Belgien hat viele bekannte Spieler entwickelt, die in europäischen Topligen spielen und für den Erfolg der Nationalmannschaft sorgen. Wir erklären euch das belgische Konzept mit kleinen Spielformen im Kinderfußball und einem "Coaching Switch".

Bekannte Topspieler
Wer kennt sie nicht? Belgiens Topspieler heißen Kevin De Bruyne, Romelu Lukaku, Jeremy Doku, Eden Hazard, Dries Mertens, Jan Vertonghen oder Thibaut Courtois. Es gibt noch viele weitere Namen, die man nennen könnte. Sie alle spielen bei europäischen Topclubs und feiern Erfolge mit der Nationalmannschaft. Wir wollen euch einen Einblick geben, wie ein kleines Land mit einem kleinen Spielerpool das erreichen konnte.
In 20 Jahren auf Platz 1
Die Entwicklung beginnt im Jahr 2000. Neidisch schaut der belgische Verband auf die Erfolge des Nachbarlands Niederlande, möchte dem nacheifern und Veränderungen anstoßen. Die Voraussetzungen sind denkbar schlecht. Belgien ist ein kleines Land mit 11,5 Millionen Einwohnern. Es gibt 485.000 Spieler und 35.000 Spielerinnen in 18.000 Mannschaften von 2000 Vereinen. Der Spielerpool, aus dem die Nationalmannschaften gebildet werden, ist ausgesprochen klein. Der belgische Verband setzt sich mit 150 Experten aus Akademien und Clubs zusammen, erarbeitet gemeinsam ein neues Ausbildungskonzept und vermittelt es in vielen regionalen Veranstaltungen der Basis. Das neue Konzept ist ein voller Erfolg. In 20 Jahren klettert Belgien von Platz 66 auf Platz 1 der Fifa-Weltrangliste und erreicht bei der WM 2018 den 3. Platz. 
Der Coaching Switch - die Spieler entwickeln
Das Ausbildungskonzept Belgiens setzt klare Ziele. Kein talentierter Spieler soll übersehen, alle Spieler weiterentwickelt werden. Dafür, erkennt die Belgian FA, braucht es einen "Coaching Switch", eine neue Denkweise der Trainer. Oftmals denken Trainer nur daran, wie sie das nächste Spiel gewinnen können. Der Coaching Switch soll bewirken, dass die Trainer sich nicht auf den Mannschaftserfolg und das Ergebnis fokussieren, sondern auf jeden einzelnen individuellen Spieler. Wenn sich der Trainer nur auf das Team und das Ergebnis konzentriert, wird er auf dem Weg viele Spieler verlieren, die von ihm keine Aufmerksamkeit erhalten. Es kommt zwangsläufig zum Drop Out. Denkt er hingegen an jeden einzelnen Spieler und entwickelt jeden weiter, wird das gesamte Team automatisch besser. Alle Spieler - gleichgültig ob Toplevel oder Amateur - werden als individuelle Menschen begriffen. In der belgischen Einstellung zur Spielerentwicklung kommt erst der Menschen und dann der Spieler. Trainer sollen lernen, alle Spieler wertzuschätzen und ihnen das Gefühl zu geben, etwas Besonderes zu sein und etwas zum Sport beitragen zu können. 
Belgischer Fokus auf drei Hauptziele
Die Reform im belgischen Fußball setzt sich drei Hauptziele:
  • Entwicklung bis zum Spielsystem 4-3-3
  • Entwicklung deutlicher Spielerprofile
  • Entwicklung von viel Kreativität der Spieler
Als  Schlüssel zur Verwirklichung dieser Ziele sieht der belgische Verband eine umfangreiche Trainerfortbildung, die in der Folgezeit intensiviert, auf die Hauptziele und den "Coaching Switch" ausgerichtet wird. Bei der Ausbildung der Spieler orientiert man sich an der Spielfreiheit in Südamerika. Dort beginnt eine systematische Spielerausbildung erst mit 16 Jahren.  Das freie Spielen soll im Mittelpunkt stehen, um Kreativität zu fördern und sich für die Spielerentwicklung Zeit zu lassen.  
Belgiens Vision: Kleine Spielformen für Kinder und Jugendliche 
Altersgerechte Spielformen sind Belgiens Vision der Spielerentwicklung. Das Ausbildungskonzept legt folgende Wettspielformen für die jeweiligen Alterklassen fest:

  • U6: Spiel 1+1 gegen 1+1 auf 2 kleine Kindertore - Feldgröße: 20 x 12 Meter - Ziel: Spielen im 1 gegen 1
  • U7: Spiel 2+1 gegen 2+1 auf 2 kleine Kindertore - Feldgröße: 25 x 15 Meter -  Ziel: Spielen im Dreieck
  • U8-U9: Spiel 4+1 gegen 4+1 auf 2 Jugendtore - Feldgröße: 35 x 25 Meter -  Ziel: Spielen in der Raute (Single Diamont)
  • U10-U11: Spiel 7+1 gegen 7+1 auf 2 Jugendtore - Feldgröße: 50 x 35 Meter -  Ziel: Spielen in der doppelten Raute (Double Diamont)
  • U12-U13: Spiel 7+1 gegen 7+1 auf 2 Jugendtore - Feldgröße: 60 x 40 Meter -   Ziel: Spielen in der doppelten Raute (Double Diamont) 
  • U14-U17:  Spiel 10+1 gegen 10+1 auf 2 Großtore  -  Ziel: Spielen im 4-3-3-System
Gespielt wird in Turnierformen in 4 oder mehr Spielfeldern ohne Tabellen und Ergebnisse. Am Ende sollen sich alle Kinder als Gewinner fühlen. Pro Spiel sind 6 Minuten angesetzt mit steigender Spielzeit je nach Altersklasse. In höheren Altersklassen wird in 4 Vierteln gespielt. Nach jedem Viertel werden alle pausierenden Spieler eingewechselt. Bis zur U17 erhält jeder Spieler mindestens 50 % der Gesamtspielzeit. 
Das Wettspiel als Tool zum Lernen
In der belgischen Überzeugung ist das Wettspiel ein Tool zum Lernen, in dem es nicht um das Gewinnen, sondern die Lernerfahrung und die Entwicklung der Spieler geht. Das Motto lautet: Life is like playing football. To score you have to keep dribbling. Bei den Juniorenauswahlmannschaften gibt es immer ein zweites "Future"-Team, um Spieler mit Potential zu fördern, die körperlich oder technisch noch nicht so weit entwickelt sind. Ziel ist es, den Spielern Zeit für die Weiterentwicklung zu geben. 
Quelle
Der Artikel beruht auf dem Vortrag "The Coaching Switch" von Trainerausbilder Kris Van Der Haegen, Belgian FA, den er im Jahr 2020 auf der National Games Development Conference gehalten hat. Ihr findet den Vortrag hier im Video:
Zusammenfassung bei Trainerkick
Martin Kniep hat Belgiens Weg bei Trainerkick zusammengefasst, basierend auf einem weiteren Vortrag von Kris Van Der Haegen aus dem Jahr 2019 in der Freiburger Fußballschule: 
Initial veröffentlicht: 20.10.2023 | Zuletzt aktualisiert: 20.10.2023

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